Jugendprojekt „Fingerzeig“ führt virtuell durch Regensburg

Jugendprojekt „Fingerzeig“ führt virtuell durch Regensburg

Das Projekt „Fingerzeig“ von sieben Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund führt virtuell zu deren Lieblingsplätzen in Regensburg. Finanziert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Vor Ort unterstützen die Staatliche Bibliothek, der Arbeitskreis ausländischer Arbeitnehmer sowie der Bürgerverein Südost. Unsere Autorin Gerda Stauner hat zusammen mit der Kulturwissenschaftlerin Claudia Eisenrieder das Projekt geleitet und gibt einen Einblick.

Wer glaubt, dass es sich bei den Lieblingsplätzen von Jugendlichen um Einkaufszentren, Kinos und Cafés handelt, der wird bei unserem Projekt „Fingerzeig 93:X: Dein Lebensraum! Dein Freiraum?“ eines besseren belehrt. Schon beim ersten Treffen im Herbst 2019 wurde schnell klar, dass die Lieblingsorte anderswo zu finden sind.

Mit der Kulturwissenschaftlerin Claudia Eisenrieder hatte ich wenige Monate zuvor das Konzept für das Projekt entwickelt, das über einen Zeitraum von einem halben Jahr angelegt war und Kinder und Jugendliche aus dem Raum Regensburg ansprechen sollte. Im September 2019 ging es mit einer Gruppe von vierzehn- bis achtzehnjährigen Schülerinnen und Schülern los, die sich freiwillig gemeldet hatten. Unser außerschulisches Angebot bestand darin, gemeinsam die Lieblingsorte der Jugendlichen zu besuchen und dort Fotos sowie Videos zu machen. Das Material wollten wir später für eine Ausstellung und eine virtuelle Stadtrallye verwenden.

Nach einigen Vorbereitungstreffen starteten wir in den Herbstferien mit den Exkursionen. Mit den Orten, die wir besuchten, hatten wir als Kursleiterinnen nicht gerechnet: Mit Drilon aus dem Kosovo waren wir in der Räuberhöhle in Etterzhausen. Mit Ahmed aus Somalia landeten wir in einem ehemaligen Kloster in der Ostengasse. In dieser Woche waren wir mit der Projektgruppe viel im Stadtgebiet unterwegs. Wir radelten ungefähr zwanzig Kilometer, gingen vierzig Kilometer zu Fuß und fuhren fünfzig Kilometer mit dem RVV. Die Laune von Sara, Ivan, Noragah und Lazarina war immer gut, die viele Bewegung schien ihnen Spaß zu machen. Ein kleines Highlight war der Besuch des Westbades, das Niko aus Bulgarien zu seinem Lieblingsort erklärt hatte.

Danach trafen wir uns einmal wöchentlich und verbrachten die Zeit bis Weihnachten mit der Recherche zur Geschichte der jeweiligen Orte. Fündig wurden wir unter anderem in der Staatliche Bibliothek Regensburg. Dort holte der Leiter Dr. Bernhard Lübbers historisches Kartenmaterial für uns aus dem Depot. Mit weißen Handschuhen ausgestattet, fuhren wir auf dem vergilbten Papier die blaue Linie der Donau nach, suchten nach der Wahlenstraße als ältesten Straße Regensburgs und erfuhren ganz nebenbei, woher der Begriff „blauer Brief“ kommt. Es handelt sich nämlich um abgetragene, preußische Uniformen, die im 18. Jahrhundert zu Papier verarbeitet wurden und deren Farbe meist „Preußisch Blau“ war.

Danach verbrachten wir Stunden damit, nach Büchern und anderen Veröffentlichungen zu suchen, in welchen die jeweiligen Orte erwähnt und ihre Geschichte erzählt wurde. Dazu machten wir Abstecher ins städtischen Archiv und besuchten Lorenz Baibl, der für uns alte Dokumente aus der NS-Zeit über die ehemaligen Badeanstalten an der Schillerwiese hervor holte und zu Dr. Andreas Boos ins Historisches Museum, der dort Fundstücke aus der Räuberhöhle lagerte.

Ab diesem Zeitpunkt begann es spannend zu werden. Wir waren mehr als überrascht, als wir zu fast jedem der Orte einen interessanten, geschichtlichen Kontext herstellen konnten und unsere Teilnehmer aufregende Zusammenhänge entdeckten. Ahmed war beispielsweise sehr erstaunt darüber, dass Napoleon Bonaparte im Jahr 1809 mit seinen Truppen in Regensburg war und diese das Kloster in Brand gesetzt hatten, über welches er gerade Informationen sammelte. Niko recherchierte rund um das Westbad und fand heraus, dass es vor fast achtzig Jahren nicht weit davon entfernt ein Werksbad gab, welches im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Durch ihre Forschungsergebnisse angestachelt, begannen die Jugendlichen im nächsten Schritt damit, ihre Resultate aufzuschreiben und Texte über ihren jeweiligen Lieblingsort zu verfassen.

Wie kleine Puzzleteile fügten wir in den Faschingsferien die Fotos, Videos und die Textbeiträge zu einer digitalen Stadtrallye und einer Ausstellung zusammen. Auf mannshohen Roll-Ups ließen wir Bilder und Infos drucken, im virtuellen Raum erstellten wir die Stadtrallye als eine Art Schnitzeljagd und bauten diese quizartig auf, um den späteren Nutzern einen spielerischen Umgang damit zu ermöglichen. Wir wollten neues Wissen mithilfe von modernen Medien via Tablet oder Handy vermitteln.

Am 19. März 2020 sollte die offizielle Ergebnispräsentation stattfinden. Vier Tage vorher fiel unsere Vorstellung dann leider dem Corona-Virus zum Opfer. Nun hoffen wir, dass es in diesem Schuljahr noch eine Möglichkeit gibt, unsere Arbeit zu zeigen. Denn dafür haben Sara, Niko, Ahmed, Drilon, Ivan, Lazarina und Noragah eine halbes Jahr lang gearbeitet. Sie wollen ihren besonderen Blick auf die schöne Stadt Regensburg mit vielen anderen Menschen teilen.

Autorin:
Gerda Stauner

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