Das fröhlich-glitzernde SCHWARZ
Beim Gedanken daran, ein Kind zu verlieren, stockt den meisten Menschen der Atem. Man möchte nicht darüber nachdenken und solche Gedanken lieber einfach wegschieben. Alexandra Tamme aus Lappersdorf kann das nicht. Sie verlor ihre neunjährige Tochter, die an Krebs erkrankte. Wir haben sie gefragt: Wie schafft man es, damit weiterzuleben und wie geht man mit diesem Verlust um? Für den Sozialboten berichtet Alexandra Tamme von ihrer schweren Zeit. Es wird deutlich, sie ist Mut Macherin. Denn sie sagt: Es geht immer irgendwie weiter im Leben.
Das fröhlich-glitzernde SCHWARZ
Von Alexandra Tamme
Lappersdorf – Das eigene Kind zu verlieren, egal in welchem Alter, ist persönlich wohl das schlimmste, was es gibt. Das wissen die meisten. Aber wie geht man damit um? Was kann ich tun? Wann ist es vorbei und alles läuft wieder normal?
GAR NICHT!!!
Ich kann jetzt nur von mir und aus eigener Erfahrung sprechen…..
Es ist niemals und zu keiner Zeit jemals vorbei. Es ist wie ein grottenschlechter Film, der nicht enden will.
Meine erstgeborene Tochter Stefanie war im März 2014 auf einer Faschingsveranstaltung. Sie war damals 7 Jahre alt.
Am Abend klagte sie über Beinschmerzen was ich nicht als so überraschend empfand, wenn Kinder heftig toben und sich verletzen. Aber in der Nacht wachte sie auf und schrie. Ich gab ihr Schmerzmittel und es war innerhalb von ein paar Minuten wieder gut und sie schlief wieder ein. In der darauffolgenden Nacht das Allergleiche wieder. Sie schrie, ich gab ihr Medikamente und sie schlief weiter.
Ich bemerkte aber, dass sie schlapp war und immer wieder kurz schlief. Also ging ich mit ihr zum Hausarzt, der ihr Blut abnahm. Und am Ende der Woche hatte ich eine Überweisung ins Krankenhaus mit dem Verdacht auf Leukämie….
Am 01. April 2014 bekam mein Mann und ich die genaue Diagnose.
Ein NEUROPLASTOM Stufe 4.
Es folgten 2,5 Jahre Krankenhaus. Eine Zeit die ich nicht mal meinen größten Erzfeinden wünschen will.
Wir durchlebten alles. Chemotherapie, Stammzellentransplantation, radioaktive Bestrahlungen, Operationen und natürlich das „alltägliche“ wie Verbandswechsel, die Spritzen, das Spülen des Katheters, Stimmungsschwankungen, Aggressivität, künstliche Ernährung, Entzündungen der Schleimhäute, Übelkeit mit übergeben.
In der Nacht, am 20.09.2016, starb mein Kind zuhause, nachdem sie an einer Maschine mit Morphium angeschlossen wurde. Ihr letzter Satz war: MAMA, ICH LIEBE DICH. Das werde ich NIE vergessen.
Am nächsten Tag fuhr ich mit der zwei Jahre jüngeren Schwester zur Schule, um alles zu regeln. Es war ein sonniger Morgen mit zwei Schleierwolken am Himmel. „Sie ist so dünn und leicht Mama, sie hat dort in diesen Wolken auch Platz und schaut uns zu“. Das waren die Worte ihrer Schwester, nachdem ich ihr gesagt hatte, dass Stefanie jetzt ein Engel ist. Das waren ihre zweieinhalb Jahre im Schnelldurchlauf. Es gäbe noch vieles mehr, dass ich erzählen und schreiben könnte, aber das würde den Rahmen sprengen.
Und jetzt, nach sechseinhalb Jahren, ist es immer noch, als wäre es gestern gewesen. Natürlich, das Leben geht weiter und ich liebe dieses Leben. Dennoch wird der Verlust mich mein Leben lang begleiten.
Um auf die Frage zurückzukommen, wie man damit umgehen soll….. Ich weiß es nicht. Mir half und hilft immer noch, wenn sich andere Menschen nicht verschließen. Mir hilft, wenn sie mir ihr Ohr leihen, auch wenn ich zum hundertsten Mal das Gleiche erzähle. Die auch meine kleine Tochter verstehen und keine Höchstleistungen erwarten, wenn sie mal nicht so rund läuft, denn auch sie vermisst ihre Schwester unendlich.
Unser fröhliches glitzerndes Schwarz!!!
Unter redaktion@sozialbote.de können Sie mit Alexandra Tamme Kontakt aufnehmen. Sie ist ausgebildete Peer Beraterin und in der Beratung von Betroffenen für Betroffene aktiv. Sie ist zudem im Vorstand einer Selbsthilfegruppe für Eltern mit Behinderung.